Interview: Facility Management im Wandel der Zeit

Jeder investierte Euro in die taktische Ebene im Facility Management zahlt sich doppelt und dreifach aus."

Interview mit Johannes Schöllhorn, langjährige FM-Führungskraft in einem Großkonzern

Sie haben die Entwicklung des Facility Managements in den letzten Jahrzehnten in diversen Führungspositionen begleitet. Wie hat sich das Facility Management in dieser Zeit entwickelt / gewandelt?


Ich kann nur von meiner eigenen Erfahrung in einem Großkonzern sprechen. Noch zu Beginn der 2000er Jahre haben wir alles innerhalb des Konzerns organisiert: Eigene Handwerker, eigene Post, eigene Hausmeister, eigene Konferenzraumservicekräfte, eigene Labordienstleister inkl. Reinigungskräfte, eigene Waschkauenwärter, und vieles mehr.

Um es überspitzt zu sagen: FM war das Auffangbecken für alle, die aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in ihrem ursprünglichen Bereich arbeiten konnten oder deren Arbeitsplätze an anderen Stellen im Konzern wegfielen. Es gab so gut wie keine speziell ausgebildeten Fachkräfte im FM.

Was hat sich heute geändert?

Wir haben heute grundsätzlich eine andere Perspektive. FM wird viel strategischer und globaler gedacht und strukturiert. Dabei wird intensiv über Themen wie Digitalisierung und Nachhaltigkeit gesprochen und Prozesse stehen immer wieder auf dem Prüfstand. So wird z.B. in Konzernen zwischen Dienstleistern und Dienstleistungssteuerung unterschieden. Einkaufsprozesse werden oft europaweit oder sogar global organisiert. Best Practice-Beispiele stehen in weltweiter Konkurrenz.

Hat die Bedeutung des Facility Managements in dieser Zeit zu- oder abgenommen?

Mit der Frage tue ich mich sehr schwer. Das FM sehnt sich geradezu nach Anerkennung. Und natürlich nimmt man sich selbst sehr wichtig und hält sich für strategisch bedeutend. Zugenommen hat sicherlich die Wahrnehmung des FM, weil heute FM-Dienstleistungen fast immer zugekauft werden. Damit werden sie sichtbarer - und man macht sich mehr Gedanken darüber, was wirklich benötigt wird. Dennoch wird FM immer noch unterschätzt und führt in vielen Unternehmen ein Schattendasein. Meine Antwort lautet also: Die Bedeutung hat zugenommen, aber noch lange nicht so, wie wir FM'ler uns das wünschen.

Welche Aufgaben sind in jüngerer Zeit für Facility Manager dazugekommen?

Meines Erachtens ist das Facility Management vor allem auf der Auftraggeberseite deutlich professioneller geworden. Die Themen Vertragstreue und Vertragseinhaltung, Nachverfolgung von Leistungen, Leistungsnachweise, Erfüllungszeiten, Digitalisierung, Nachweise für Betriebssicherheitsverordnung, für die Einhaltung von Umweltstandards ... das Alles hat erheblich an Bedeutung gewonnen.

Wird Facility Management in Unternehmen zunehmend als Teil der Unternehmensstrategie wahrgenommen?

Ehrliche Antwort: Nur wenig. FM wird immer dann wahrgenommen, wenn etwas nicht funktioniert. Wobei die Wahrnehmung natürlich immer auch von der Branche abhängt. Dort, wo das FM einen erheblichen Anteil an den Gesamtaufwendungen hat, gibt es mit Sicherheit eine verstärkte Wahrnehmung. Dabei liegt der Fokus dann aber meistens auf der Gebäudestrategie, welche die gesamten Immobilienkosten umfasst. Das Interesse an den operativen Dienstleistungen ist in den meisten Unternehmen aber eher gering.

Wo sehen Sie die größte Herausforderung, wenn es darum geht, das Facility Management für ein Unternehmen zu organisieren?

Schwere Frage. Zunächst einmal - es sollte möglichst weit oben in der Unternehmenshierarchie verankert sein, damit eine möglichst gleichartige, durchgängige FM-Strategie durchgesetzt werden kann.
Die Erfassung der Anforderungen und der Bedarfe ist hier meist die größte Herausforderung. Saubere Prozesse, eine gute Datenlage und nicht zuletzt eine gute Dienstleistungssteuerung erfordern dabei gut ausgebildete Experten.

Welche Rolle spielt die Digitalisierung im modernen FM?

Digitalisierung spielt eine zentrale Rolle. In meiner Vorstellungswelt gibt es diejenigen Menschen, die Prozesse gestalten, also die Facility Manager, und diejenigen, die die Prozesse ausführen, also die operativen Dienstleister bzw. Facility Services. Die Facility Services werden mehr und mehr digital gesteuert und müssen ihre Leistungsnachweise digital erbringen.

In dieser zunehmenden Aufteilung zwischen Gestaltern und Ausführenden, die wir ja nicht nur im FM sehen, sehe ich übrigens persönlich die größte soziale Sprengkraft für die Gesellschaft als Ganzes, wenn dieser kleine philosophische Ausflug erlaubt ist.

Schon heute werden Hausmeister und Handwerker über Tickets gesteuert und müssen ihre Arbeit digital zurückmelden. Ich kann mir gut vorstellen, dass wir mit künstlicher Intelligenz (KI) weiter Fortschritte in den digitalen FM-Prozessen machen. Heute schon kann KI erkennen, wer wann wo gewesen ist, und was er getan hat. Das kann man natürlich auch bei der Organisation und Steuerung von Arbeitsprozessen nutzen.

Das FM der Zukunft wird sich also damit beschäftigen (müssen), festzulegen, was an Digitalisierung umsetzbar und gewollt ist, was gesetzlich erlaubt ist, was mit den Arbeitnehmervertretungen abgestimmt sein muss und letztendlich auch, wie die Kosten/Nutzen-Relation ist.

Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit?

Definiere Nachhaltigkeit! Der Begriff ist ja ziemlich dehnbar.

Aber ja, natürlich spielt Nachhaltigkeit eine große Rolle. Welches Unternehmen möchte diesen Stempel nicht haben? Ressourcenschonung wird in der Unternehmenswelt immer wichtiger werden.

Welche Rolle spielen moderne Arbeitsplatzkonzepte?

Das war und ist schon lange ein Hype. Und Corona hat alles beschleunigt! Ich persönlich glaube nicht, dass wir die vor 2020 ja eher zaghaften Ansätze von Home-Office nach der Pandemie noch einmal erleben werden. Denn das Home-Office als Konzept scheint ja grundsätzlich zu funktionieren.Ein moderner Arbeitsplatz wird immer flexibler sein. Es gibt nicht mehr das klassische Büro, sondern einen Ort, der meinem aktuellen Anspruch (was brauche ich: Ruhe? Kommunikation?) genügen muss – alles am besten per App und so flexibel wie möglich steuerbar.

Der Wunsch nach einem Einzelbüro ist schon jetzt von vorgestern. Und ich denke, das Thema hat gerade erst begonnen. Immerhin kostet jeder Quadratmeter Geld! Und mit Home Office-Konzepten kann ich als Großkonzern ganze Gebäude einsparen.

Aber auch der Arbeitsplatz der Zukunft muss sauber sein und die ganze moderne Technik muss funktionieren. Das kommt dann wieder das FM ins Spiel.

Häufig wird zwischen strategischen und operativen FM eine dritte Ebene definiert: Das taktische FM (also Dienstleistungssteuerung und Objektmanagement). Was bewerten Sie diese Organisationsebene?

Ich halte diese Ebene für sehr wichtig. Hier sollten ausgebildete, gut fortgebildete Mitarbeiter arbeiten. Jeder investierte Euro in diese Ebene zahlt sich doppelt und dreifach aus. Nur mit einer guten Dienstleistungssteuerung kann gewährleistet werden, dass man als Auftraggeber von dem Dienstleister auch die Leistung bekommt, die man bezahlt.

Das Bewusstsein für das Potential einer guten Dienstleistungssteuerung fehlt leider noch in vielen Unternehmen. Schließlich wird der Nutzen der Dienstleistungssteuerung erst deutlich, wenn man sich die Kosten anschaut, die entstehen, wenn Dienstleister eben nicht vernünftig arbeiten. Das wird aber häufig nicht gemacht, sondern es wird davon ausgegangen, dass Dienstleister vertragskonform arbeiten, was aber in den seltensten Fällen ohne eine entsprechende Steuerung funktioniert.

Wir haben in den letzten Jahrzehnten einen Trend zu großen Generaldienstleistern erlebt. Wird sich dieser Trend in Zukunft fortsetzen oder sind nicht gerade kleinere, dynamischere und innovativere Anbieter gefragt?

Ich denke, dass sich dieser Trend fortsetzen wird. Umso wichtiger wird eine sehr gute und professionelle Dienstleistungssteuerung. Denn je größer die Anbieter werden, umso komplexer wird die Kontrolle und Steuerung der Leistung, die sie erbringen.

Kleinere, dynamischere und innovativere Anbieter werden im FM der Zukunft aber auch ihren Platz haben. Der Fokus liegt hier auf Innovation und Digitalisierung.


Das Potential für diese kleineren Unternehmen sehe ich dabei unter anderem darin, in gemeinsamen Projekten mit größeren Anbietern zu arbeiten oder aber darin, ein ganz anderes Kundensegment, das in Deutschland ja besondere Bedeutung hat zu betreuen: den klassischen Mittelstand. Die großen Konzerne werden dagegen auch weiterhin auf die großen Generaldienstleister setzen.

Welche ihrer persönlichen Erfahrungswerte würden Sie heute einem jungen Facility Manager mit auf den Weg geben?

Ich würde ihm oder ihr raten, mit offenen Augen durch die Welt gehen. Immer vergleichen: Wie würde ich das Problem Zuhause angehen? In Prozessen denken, Verträge aufmerksam lesen und lernen, Leistungen exakt zu formulieren. Ein junger FMler sollte auch wissen, dass FM für viele Unternehmen nicht unbedingt der Nabel der Arbeitswelt ist. Dafür ist FM aber eine sehr solide Grundlage für viele Unternehmen. Und also solche wird FM auch in vielen Jahrzehnten noch eine große Bedeutung haben.

Zur Person:

Johannes Schöllhorn hat über mehrere Jahrzehnte hinweg in unterschiedlichen Führungspositionen das Facility Management für einen Großkonzern organisiert.

Seit 2017 ist er freiberuflich tätig.

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